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DGL - 40 Jahre für unsere Gewässer
Binnengewässer

Prof. Dr. Winfried Lampert

Die Deutsche Gesellschaft für Limnologie trauert um

Professor Dr.

Winfried Lampert

der am 6. März 2021 im Alter von 79 Jahren verstarb

Die deutsche und die internationale Gemeinschaft der Limnologen und Ökologen verlieren einen ihrer herausragendsten und kreativsten Vertreter und weltweit anerkannten Protagonisten des Faches Winfried Lampert (1941-2021).

Winfried Lampert wurde 1941 in Oppeln/Opole (heutiges Polen) geboren, seine Familie floh in den Kriegswirren nach Westdeutschland.  Winfried Lampert machte eine Buchdruckerlehre bevor er Biologie in Freiburg studierte. Sein in der Druckerlehre geschultes Auge für exakte Details in Abbildungen und Texten war später berühmt und gefürchtet. Winfried Lampert promovierte 1971 in Freiburg mit einer Arbeit über die Populationsdynamik der Felchen im Schluchsee. Nach seiner Promotion wandte er sich der Ökologie des Zooplanktons zu und fand in Daphnia einen optimal geeigneten Modellorganismus, der sein ganzes Leben begleiten sollte. Er wurde zunächst Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Freiburg und danach Professor in Frankfurt.  1980 wurde er Leiter einer unabhängigen Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut in Plön, bereits 1984 wurde er zum Leiter der Abteilung Physiologische Ökologie und zum Direktor am MPI Plön berufen. Winfried Lampert ging 2006 in den Ruhestand, war aber noch einige Jahre als Gastprofessor an der Universität Bergen (Norwegen) tätig. Er behielt weiterhin ein Büro am MPI, welches nach seinem Ausscheiden in Max-Planck- Institut für Evolutionsbiologie umbenannt wurde. Winfried Lampert war die letzten Jahre schwer erkrankt, arbeitete aber weiter an Publikationen und Buchprojekten. Er starb am 6 März 2021 im Kreise seiner Familie in Plön.

Winfried Lampert startete nach seiner Promotion mit Arbeiten zur Ökophysiologie von Daphnia. Gleichzeitig war die Einbettung der Ökologie von Daphnia in den Gesamtkontext des pelagischen Ökosystems ein zentraler Antrieb seiner Forschung. Mit der kausalen Erklärung des “Klarwasserstadiums”, eines frühsommerlichen Minimums der Phytoplanktonbiomasse trotz guter Wachstumsbedingugen, durch den Wegfraß der Algen durch Daphnia etablierte er ein Lehrbuchbeispiel der „top-down“-Kontrolle in Nahrungsnetzen und wurde er einer der Pioniere der Integration der Planktonökologie in die allgemeine, systemübergreifende Ökologie von Lebensgemeinschaften. Seine Untersuchungen zum Selektionsvorteil der Vertikalwanderung des Zooplanktons entschieden den damals herrschenden Thesenstreit zugunsten der Annahme, dass der Vorteil in der Vermeidung von Fraßdruck durch Fische liegt. Das Interesse daran, wie natürliche Selektion das Verhalten und die Fähigkeit von Organismen bestimmt, sollte ihn sein ganzes weiteres Forscherleben begleiten. Er erweiterte die Ökophysiologie von einer zoologisch orientierten Autökologie um konzeptbasierte und experimentell zugängliche evolutionäre Fragestellungen.  Sein Modelorganismus war Daphnia. Daphnien sind einerseits zentrale Nahrungsnetzkomponenten vieler Gewässer, besitzen aber auch Eigenschaften wie schnelle Generationszeiten und die Möglichkeit zur Parthenogenese die es erlauben große Anzahl von genetisch identischen Versuchstieren schnell zu etablieren. Winfried Lampert stellte hohe Anforderungen an die Genauigkeit seiner Experimente und brachte experimentelle Systeme auch hinsichtlich notwendiger Kontrolle und Präzision auf ein neues Niveau, das danach nicht mehr übertroffen wurde.  Seine Durchflusssysteme für die kontrollierte Hälterung und Fütterung von Daphnien in Experimenten sind weiterhin „State oft he Art“ und in ihrer Art einzigartig. Winfried Lampert behielt die Leidenschaft für die Präzision von kontinuierlichen Durchflusssystemen auch in schwierigen Zeiten bei, während der notwendigen Krankenhausaufenthalte in den letzten Jahren trainierte er Krankenschwestern und Ärzte in der richtigen Kalibrierung und Bedienung von Peristaltikpumpen für Infusionen.

Winfried Lamperts Forschungskonzepte und die in Plön verfügbare Infrastruktur wie die Durchflusssysteme oder die berühmten, im Gebäude installierten 11m hohen Planktontürme, zogen sehr schnell eine Vielzahl von Gastforschern aus aller Welt an. Plön wurde schnell ein „Hotspot“ für neue Ideen und wissenschaftlichem Austausch im Bereich der aquatischen Ökologie. Die Kombination aus einzigartiger Infrastruktur, die ähnlich selten woanders verfügbar war, mit der Anwesenheit berühmter Limnologen und Ökologen, enthusiastischen PostDocs und hoch motivierten Doktorandinnen und Doktoranden resultierten in den “Goldenen Jahren der Limnoökologie” wie sie vielfach später genannt wurden. Der Sitz des MPIs in der schönen Kleinstadt Plön, mit überschaubarem Potential für zuviel Ablenkung von der Wissenschaft, war zusätzlich hilfreich. Eine große Anzahl seiner Studenten und Mitarbeiter blieben auch  nach ihrer Zeit in Plön der Wissenschaft erfolgreich erhalten.

Winfried Lampert begann mit Arbeiten zur Ökophysiologie der Daphnien, diese erweiterte er um evolutionsbiologische Fragestellungen und entwickelte neue Ansätze und Techniken um diese Fragen experimentell zugänglich zu machen. Damit war aber auch der Startpunkt gegeben die Interaktionen der Daphnien mit ihrer Nahrung (den Algen) aber auch ihren Räubern hinsichtlich der ursächlichen, ultimaten Gründe zu untersuchen zu können. Diese Arbeiten waren wichtig für die Limnologie, hatten aber auch weit darüberhinausgehende Bedeutung für generelle ökologische Konzepte. Winfried Lampert war immer überzeugt, dass limnologische Experimente auch nützliche und ertragreiche Testsysteme für generelle ökologische Fragestellungen sein sollten, diese Überzeugung führten zur Abfassung des berühmten Lehrbuchs “Limnoökologie” (Lampert & Sommer), welches in mehrere Sprachen übersetzt wurde.

Für eine große Zahl von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wurde ein Aufenthalt in Plön eine wichtige Stufe in ihrer Laufbahn und viele haben seither leitende Positionen in Deutschland, Europa und der ganzen Welt erreicht. Er war ein erstklassiger Mentor, egal ob es sich um seine Doktorandinnen und Doktoranden oder um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mittlerer Karrierestufen handelte. Er brachte ihnen viel Vertrauen entgegen, bot ihnen erstklassige Arbeitsmöglichkeiten und konfrontierte sie aber auch mit Herausforderungen und, falls nötig, konstruktiver Kritik. Er machte auch klar, dass die wahre Bewährung nicht in der Nestwärme der eigenen Arbeitsgruppe und sondern in der Konfrontation mit der wissenschaftlichen Außenwelt liegt.

Nach der erfolgreichen Etablierung seiner Arbeitsgruppe in Plön startete Winfried Lampert auch mit der Erkundung mariner Lebensräume in seiner Freizeit. Winfried Lampert machte eine Tauchausbildung während seiner Studentenjahre und tauchte in den kalten, trüben Gewässern Deutschlands oder während zoologischer Exkursionen ans Mittelmeer. Nach einer knapp 30-jährigen Pause startete er wieder das Tauchen und bereiste mit seinen Doktorandinnen und Doktoranden das Rote Meer. Schon bald besuchte er die berühmtesten Tauchplätze der Welt und seine Reise führten ihn von der Suche nach winzigen Pygmäen- Seepferdchen in Papua Neuguinea oder Fiji bis hin zu Begegnungen mit Hammerhaien vor Malpelo und Galapagos oder weißen Haien in Guadaloupe (Mexiko). Er startete auch sein zweites Hobby, das Filmen, wieder; diesmal nicht analog auf Super 8 Film sondern mit moderner Unterwasser-Videoausrüstung. Mit den gleichen Eigenschaften wie in der Forschung, Geduld, Neugier, Offenheit für neue Ideen und der Faszination für moderne Technik wurde er schnell ein respektierter Unterwasserfilmer und gewann Preise bei nationalen und internationalen Wettbewerben.

Während eines seiner Tauchabenteuer war Winfried Lampert nahe daran seinen unerschüttlichen Glauben an die Kräfte der Evolution zu verlieren. Beim Auftauchen nach einem Tauchgang an einem Tauchplatz in Palau namens Einsteins Garten, einem Riffbereich mit einer überwältigenden Vielfalt an Hirnkorallen in allen Formen, Farben und Größen wie von einem Designer geschaffen, waren seine ersten Worte: „Ich glaub nicht mehr an Darwin“. Beim ersten Bier nach dem Tauchgang in einer Bar in Palau hatte Winfried Lampert aber schon überzeugende Theorien aufgestellt wie Ökologie und Evolution dieses natürliche Kunstwerk zur Vollendung gebracht haben konnten.

Winfried Lampert erlangte etliche Auszeichnungen und Preise, unter anderem auch den  A.C. Redfield Lifetime Achievement Award (ASLO) in 2012. Seine Ansprache bei der Preisübergabe, Empfehlungen über Tugenden für eine Karriere in der Wissenschaft, wurde schnell berühmt und vielfach hochgeladen. Seine Empfehlungen an junge Wissenschafter bleiben ein wertvolles Testament. Seine Empfehlungen waren:

  • Sei unerschrocken!
  • Bleibe flexibel!
  • Höre auf berühmte Leute, aber folgen ihnen nicht immer unbedingt!
  • Schließe Freundschaften! Manchmal braucht man Freunde um verschiedener Meinung zu sein!
  • Habe Freude! Und ja, auch Arbeit kann Freude sein!

Herwig Stibor & Ulrich Sommer