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DGL - 40 Jahre für unsere Gewässer
Binnengewässer

Dr. Horst Ziemann

Am 14. April 2024 verstarb Dr. Horst Ziemann wenige Tage vor Vollendung seines 90. Lebensjahres (17.04.1934). Wir trauern um den Verlust eines wissenschaftlich wie persönlich hoch geschätzten, geachteten und liebenswerten Kollegen.

Geboren als Sohn eines Forstmeisters erlebte er mit seinen Brüdern eine frohe Kindheit in der Natur des Waldes. So prägten wohl schon die frühen Jahre seine Liebe zur Natur und hier insbesondere zum Wald. Also war nach dem Abitur der Weg zum Studium der Biologie an der Universität Leipzig fast selbstverständlich. Die Diplomarbeit über die Ökologie luzerneschädigender Rüsselkäfer weckte sein entomologisches Interesse.
Mit der für Hochschulabsolventen üblichen Betriebsassistenz begann die berufliche Laufbahn für ihn in der Nachfolgeeinrichtung der seit 1913 bestehenden Amtlichen Flussüberwachungsstelle Gerstungen. Hier begegnete er mit der Werra dem wohl anthropogen höchstbelasteten Binnensalzgewässer Deutschlands. Mit dem Auftrag zum Aufbau eines Wasserlabors in Nordhausen wiederholte sich die Erfahrung zu salzbelasteten Gewässern mit der Wipper und ihrer enormen Salzbelastung aus dem Südharzer Kalirevier. Und mit den Vorbereitungen zur Trinkwasseraufbereitung der zukünftigen Ohratalsperre begegneten ihm in den beiden Quellbächen der Ohra zwei in ihrem Chemismus wie der Insektenfauna unterschiedliche Bergbäche.

Damit waren wohl die Wurzeln zu seiner zukünftigen wissenschaftlichen Arbeit gelegt: Der Einfluss des Salzgehaltes auf die Biozönose von Fließgewässern und die Insektenfauna der Bergbäche. In letzterem brachte er es - auch in kollegialer Zusammenarbeit mit dem Museum der Natur Gotha (Drs. ZIMMERMANN, JOOST, BELLSTEDT) - zu wertvollen wissenschaftlichen Beiträgen über verschiedene Thüringer Bergbäche.
In den Jahrzehnten seiner wissenschaftlichen Berufstätigkeit als Biologe in der Staatlichen Gewässeraufsicht beschäftigte er sich intensiv mit der Wirkung des Salzgehaltes auf die aquatische Biozönose und der biologischen Analyse und Klassifikation dieser Wirkung. Mit einer Arbeit zu diesem Thema wurde er 1968 als Externer an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zum Dr. rer. nat. promoviert. Später wurde der von ihm auf Basis der Wirkung des Salzgehaltes auf die Struktur der Diatomeenflora entwickelte Halobienindex zu einem Standardverfahren für eine biologische Analyse und Klassifikation der Salzbelastung von Binnengewässern. Zum Einfluss des Salzgehaltes auf die biozönotische Struktur aquatischer Biozönosen vom limnischen Bereich der silikat- und carbonatgeprägten Gewässer über natürliche Solgewässer bis zu anthropogen hoch belasteten Binnensalzgewässern hat Horst Ziemann mit seinen Arbeiten wertvolle wissenschaftliche Einsichten und Impulse erarbeitet.
In seiner Dienststelle war er ein sehr beliebter integrer Kollege. So bekam er u. a. über Jahrzehnte das Vertrauen der Belegschaft als Vorsitzender der Vergabekommission für die betrieblichen Ferienplätze.

Schließlich begann mit der friedlichen Revolution und ihren Veränderungen im Recht wie in der Verwaltung auch für Horst Ziemann ein Neustart. In diesem setzte er sich mit seinen Kenntnissen für den Aufbau der Staatlichen Umweltämter ein und erwarb im Umweltamt Erfurt als Hauptsachbearbeiter Gewässergüte und ab 1994 Fachgebietsleiter Gewässergüte/Abwasserabgabe bleibende Verdienste um die Sanierung der Thüringer Gewässer.

Bei der erheblichen Zahl notweniger Investitionen zu Bau und Ertüchtigung von kommunalen Kläranlagen war die fachliche Kompetenz von H. Ziemann ausschlaggebend und zielführend zu Entscheidungen und Vorschlägen der notwendigen Rangfolge aus gewässerökologischer Sicht.
Als Vertreter Thüringens in den Fachausschüssen „Ökologie der Gewässerlandschaft“ und „Salzbelastung der Fließgewässer“ des DVWK brachte er dabei seine besonderen Erfahrungen auch über die Landesgrenzen hinaus wirkungsvoll ein.
Mehr als 40 wissenschaftliche Publikationen aus der limnologischen Praxis der Gewässerüberwachung – ganz ohne Forschungsauftrag oder -mittel – sind Zeugnis seines intensiven Schaffens, in dem er auch mit Vorträgen sowie aktiver Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen seine Kenntnisse vermittelte.

Im Privaten galt seine Liebe vor allem der Familie: Der bewunderungswürdigen Pflege des Vaters und später seiner schwer erkrankten Ehefrau, aber auch der großen Freude, dass ein Enkel die Forstlaufbahn einschlug, und eine Enkelin die das Interesse an der Biologie weiterführt. Seine Hobbys waren der Wald, die Naturphotographie und das Wandern. Bei letzterem gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Sektion Wandern und Bergsteigen der BSG (Betriebssportgemeinschaft) Turbine Erfurt, seit 1992 Erfurter Bergfreunde e.V. Auch hier war seine Aktivität gefragt: Aus dem durch die Ohra-Talsperre notwendigen Abbruch der Unteren Schweizer Hütte wurde Material gewonnen und am Gehlberger Brand 1968 die „Erler Hütte“ Als Wander- und Stützpunkt errichtet. Sie gab der kleinen Sektion einen erheblichen Schub für ihre sommerlichen wie winterlichen Aktivitäten, die er mit seiner Familie sehr genießen konnte.

Durch starke Einschränkungen infolge einer schweren Erkrankung war ihm in den letzten Jahren Wandern nur noch als geliebter Urlaubsbegleiter der Kinderund Enkel möglich, während er beliebte Stellen „seiner“ Wälder noch selbständig aufsuchte.
Erwähnenswert ist schließlich auch Horst Ziemanns aktive Mitgliedschaft im Verein „Museumslöwen – Gemeinschaft zur Förderung des Museums der Natur Gotha e. V.“.

Mit Horst Ziemann verliert die Gemeinschaft der Limnologen nicht nur einen akribisch arbeitenden Wissenschaftler und wissensreichen Fachkollegen, sondern auch einen integren und liebenswerten Menschen. Die Zusammenarbeit mit ihm war eine Freude durch sein stets freundliches, hilfreiches Wesen und der stets nahbar zugewandten Art des Respekts vor Jedem. So ergab sich aus der langen persönlich kollegialen Zusammenarbeit auch eine Freundschaft unserer Familien.

Er wird allen, die ihn kannten, fehlen, und wir werden uns seiner als Wissenschaftler wie als Persönlichkeit stets dankbar erinnern.
Wolf von Tümpling sen.

Bellstedt, R.: Dr. Horst Ziemann zum 85. Geburtstag. VERNATE (Veröffentlichungen des Naturkundemuseums Erfurt) 38 (2019) 343 – 345.